Luchse ohne Ohren: Inzuchtprobleme als Langzeitfolge bei künstlichen Auswilderungen

Die Wiederansiedelung und das Aussetzen von Luchsen wird von Naturschützern häufig gefordert. Solche Projekte führen zu Langzeitfolgen für die Art selbst, die sich erst nach Jahrzehnten zeigen, wie das Beispiel der in der Schweiz ausgesetzten Luchse zeigt: 3 Luchsgeschwister im Kanton Jura kamen ohne Ohren auf die Welt. Die genaueren Ursachen dafür werden aktuell von Experten aus Frankreich, der Schweiz und dem Forschungsinstitut für Wildtiere in Wien, mit dem auch die Steirische Landesjägerschaft eng kooperiert, untersucht.

Das Problem der geringen Variabilität wurde bei den in den 1970er Jahren gestarteten Wiederansiedelungsprojekten zu spät erkannt. Erst 20 Jahre später fiel die deutlich reduzierte genetische Variabilität der Tiere auf. Die Fortpflanzung zwischen eng miteinander verwandten Tieren führt dazu, dass nachteilige Merkmale oder Krankheiten vererbt werden, es kommt vermehrt zu Missbildungen, erhöhter Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, histologischen Schädigungen und verminderter Fortpflanzungsfähigkeit. Diese Folgen waren auch beim Luchs „Lakota“ zu beobachten, der aus der Schweiz importiert wurde. Die fehlende Fortpflanzungsfähigkeit des 2014 geborenen Männchens wurde nicht erkannt, das Tier wurde als Nachwuchshoffnung im Nationalpark Kalkalpen ausgesetzt.

Die Schweiz führt aufgrund der bekannten Probleme bereits seit 2001 ein genetisches Monitoring durch. Von den Luchsen ohne Ohren konnte erst ein Tier untersucht werden, dass 2022 bei einem Verkehrsunfall in Frankreich ums Leben kam: Die Untersuchung ergab, dass die Ohrlosigkeit angeboren war.

Zitat Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau:

„Das Beispiel der Luchse ohne Ohren zeigt, dass wir die komplexen Zusammenhänge in der Natur oft erst im Nachhinein verstehen. Beim günstigen Erhaltungszustand, der bei vielen Arten gefordert wird, ist der Fokus viel mehr auf die Genetik zu legen. Wenige und genetisch unterschiedliche Exemplare einer Art bringen für den Erhaltungszustand mehr als eine große Anzahl von Einzeltieren, die dann mit solchen Problemen zu kämpfen haben. Auch die Anzahl von Tieren, die in der freien Natur gefangen werden und den Stress des Fangens, des Transportes und das Aussetzen in einen für sie völlig fremden Lebensraum mit vielen Gefahren nicht überleben, ist nicht unerheblich.“

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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