Großes Interesse am „Tag der Wildnis”

Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und Österreichische Bundesforste luden zum Erfahrungsaustausch nach Lunz am See in Niederösterreich

Vom bunten Programm für Volksschülerinnen am Vormittag bis zum spannenden Symposium für Expertinnen und Naturinteressierte am Nachmittag: Am Donnerstag, 14. März 2024, luden das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) gemeinsam zum „Tag der Wildnis” nach Lunz am See in Niederösterreich. Im Fokus standen die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Wälder sowie die Bedeutung von Wildnis und der darin stattfindenden Forschung. „Das Interesse war groß: Das Symposium im Haus der Wildnis war mit rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern restlos ausgebucht”, so Katharina Pfligl (Leitungsteam Haus der Wildnis) von den Österreichischen Bundesforsten, die mehr als drei Viertel der Fläche in das Wildnisgebiet einbringen.

Buntes Spezialprogramm für Volksschüler*innen

Der Vormittag war ganz den Jüngsten gewidmet: An verschiedenen Mitmach- und Vermittlungsstationen hatten die Volksschülerinnen und Volksschüler aus den Wildnisgebietsgemeinden Lunz und Göstling am „Tag der Wildnis” die besondere Gelegenheit, die einzigartigen Lebensräume des Urwalds interaktiv zu entdecken. Im Haus der Wildnis lernten die Kinder beispielsweise auf spielerische Art und Weise verschiedene Baumarten und die Vorteile artenreicher Mischwälder kennen. Eine weitere Station widmete sich dem Borkenkäfer, der Artenvielfalt sowie dem Nahrungsnetz im Wald. Auch der Klimawandel, seine Ursachen und was man dagegen tun kann, wurden näher erläutert.

Symposium „Verlorene Wildnis – Verlorenes Wissen”

Die Folgen der Klimakrise, wie beispielsweise steigende Temperaturen, Hitzewellen und Stürme, setzen unseren Wäldern zu und begünstigen die Verbreitung des Borkenkäfers. Dazu kommt, dass Bäume im Trockenstress immer weniger Gegenwehr leisten können. Der Borkenkäfer stand deshalb im Mittelpunkt des diesjährigen Symposiums „Verlorene Wildnis – Verlorenes Wissen”. Verschiedene Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis beleuchteten die Herausforderungen für die Forstwirtschaft und was wir von Wildnisgebieten lernen können.

Andreas Gruber, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz der Österreichischen Bundesforste, gab in seinem Vortrag einen Einblick in die Herausforderungen des Forstschutzes und zeigte unter anderem das umfangreiche Borkenkäfermanagement der Bundesforste auf – von der Früherkennung durch flächendeckendes Monitoring, über den Einsatz von Lockstoff-Fallen und Fangbäumen bis hin zu Entrindung von Stämmen oder den raschen Abtransport befallener Bäume. Als größter Waldbesitzer Österreichs setzen die Bundesforste seit vielen Jahren auf eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Flächen und machen ihre Wälder schon heute klimafit. Der Wald der Zukunft ist ein bunter, artenreicher Mischwald mit einem an den jeweiligen Standort angepassten Baumarten-Mix.

Hauptaugenmerk des Vortrags von Georg Gratzer, Professor für Bergwaldökologie und stellvertretender Institutsleiter des Instituts für Waldökologie am Department für Forst- und Bodenwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien, lag auf der natürlichen Baumverjüngung bzw. der vermehrten Fichtenverjüngung nach Borkenkäferbefall. Darüber hinaus zeigte er auf, dass klimatische Extremereignisse, die zu Störungen in den Wäldern führen, wie Stürme und Gradationen von Borkenkäfern, in den letzten Jahrzehnten an Häufigkeit und Intensität drastisch zugenommen haben. Die Wiederbewaldung dieser Flächen wird somit zu einer der zentralen Herausforderungen für die Forstwirtschaft in Mitteleuropa in den nächsten Jahrzehnten.

Axel Schopf, Professor i.R. am Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz der Universität für Bodenkultur Wien, beleuchtete die Entwicklung des „Buchdruckers” (Ips typographus) – einem Käfer aus der Familie der Borkenkäfer – im Wildnisgebiet unter sich ändernden Klimabedingungen. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind in unseren Wäldern bereits deutlich zu erkennen: So kann durch die Temperaturzunahme ein einzelnes Buchdruckerweibchen heutzutage das 40-fache an Nachkommen produzieren als vor 30 Jahren.

Maria von Rochow, Rangerin und Naturraummanagerin im Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal, gab in ihrem Impulsvortrag mitunter einen Einblick in die Aufgaben und Ziele des Wildnisgebietes. Sie zeigte auf, dass das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal als einzigartiges Waldwildnisgebiet nicht nur einen essenziellen Beitrag zum Natur- und Biodiversitätsschutz leistet, sondern auch einen besonderen Stellenwert in der Forschung besitzt, da in diesem UNESCO-Weltnaturerbe ungestört Evolution stattfinden kann.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion – unter anderem mit Antje Güttler, Leiterin des ÖBf-Forstbetriebs Kärnten-Lungau, Peter Mayer, Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) und Johannes Schima, Leiter der Abteilung Waldschutz, Waldentwicklung und forstliche Förderung im Bundesministerium für Land- Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft – stand der Austausch und Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis im Vordergrund. Dabei wurde deutlich, dass es essenziell ist, gemeinsame Lösungskonzepte zu finden und es beides braucht – sowohl eine naturnahe Forstwirtschaft als auch strenge Schutzgebiete zur Erhaltung der Biodiversität.

v.l.: Johannes Schima (BML – Abteilungsleiter Waldschutz, Waldentwicklung und forstliche Förderung), Antje Güttler (Leiterin ÖBf-Forstbetrieb Kärnten-Lungau), Andreas Gruber (ÖBf-Vorstand), Georg Gratzer (Universitätsprofessor, BOKU Wien), Peter Mayer (Leiter Bundesforschungszentrum für Wald), Christoph Leditznig (Geschäftsführer Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal). Foto: © Laura Renner

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: (c) arf.at