Zum 100. Geburtstag von Charles Wassermann

Jakob Wassermann hatte insgesamt 5 Kinder, aus erster Ehe 4 Töchter (eine Tochter Eva war in den USA kurze Zeit mit Hermann Broch verheiratet), der 2. Ehe mit Martha Karlweis entstammte Sohn Charles. Er war 9 Jahre alt, als sein Vater starb. Im Februar 2024 jährt sich sein 100. Geburtstag.

Charles Wassermann (1924 – 1978), der kanadisch-österreichische Schriftsteller, Sohn von Jakob Wassermann und Marta Karlweis, verfasste mehr als zehn Bücher in Deutsch und über 200 Hör- und Fernsehspiele in Englisch. Charles Wassermann verbrachte seine Kindheit in Österreich, in Altaussee, aber nach dem Tod des Vaters und der aufgrund seiner jüdischen Herkunft notwendigen Emigration erfolgten der größte Teil seiner Schul- und Universitätslaufbahn sowie die Anfänge seiner journalistischen Karriere in England und Kanada, und er nahm auch die kanadische Staatsbürgerschaft an.

Als Journalist war er für verschiedenste Rundfunk- und Fernsehanstalten tätig, hauptsächlich arbeitete er für die CBC (Canadian Broadcasting Corporation). Sein Spezialgebiet als politischer Berichterstatter und Kommentator war Osteuropa.

Wassermann kehrte 1954 nach Altaussee zurück, als ein in Europa stationierter Osteuropa-Korrespondent des CBC. Als Journalist reiste, recherchierte, berichtete und kommentierte er vor Ort die aktuellen Geschehnisse in den osteuropäischen Staaten, die für den Großteil der westlichen Bevölkerung unerreichbar hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Über Reportagen, Kommentare und Sachbücher kam er schließlich zum Genre des Romans, 1960 veröffentlichte er seinen ersten Roman in Deutsch, sieben weitere Bücher, darunter fünf Romane, folgten.

Die Bandbreite und der Umfang seines Schaffens sind beeindruckend, umso mehr, wenn man bedenkt, dass Charles Wassermann für gut die Hälfte seiner beruflichen Laufbahn zuerst teilweise und dann völlig erblindet war. Heute ist Charles Wassermann kaum jemandem ein Begriff, biographisches Material und Sekundärliteratur sind kaum vorhanden.

Der Schriftsteller

Charles Wassermann ist unter den kanadisch-österreichischen Schriftstellern eine Klasse für sich. Der bilingual aufgewachsene Autor verfasste mehr als zehn Bücher in Deutsch und über 200 Hör- und Fernsehspiele in Englisch. Aufgewachsen in Österreich, ausgebildet in Kanada, zurückgekehrt nach Europa, blieb er stets Weltreisender und unruhiger Geist. Die Rastlosigkeit eines bewegten Geistes spiegelt sich im Umfang seines literarischen und journalistischen Schaffens wider. Als Journalist war er für verschiedenste Rundfunk- und Fernsehanstalten tätig, reiste, recherchierte, berichtete und kommentierte. Für Millionen Rundfunkhörer und Fernsehzuschauer im Westen berichtete er über und analysierte vor Ort die aktuellen Geschehnisse in den osteuropäischen Staaten, die für den Großteil der westlichen Bevölkerung unerreichbar hinter dem dichten Eisernen Vorhang lagen. Als Schriftsteller fiktionalisierte er zum Teil die Erfahrungen und Erlebnisse, die er als Journalist gemacht und miterlebt hatte.

Charles Wassermann verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre in Österreich, aber nach dem plötzlichen Tod des Vaters und der aufgrund seiner jüdischen Herkunft notwendigen Emigration erfolgten der größte Teil seiner Schul- und Universitätslaufbahn sowie die Anfänge einer journalistischen Karriere in England und Kanada. Deutsch war zwar seine Muttersprache, aber ihm eigentlich nur als Umgangssprache vertraut. Das erklärt, warum er zuerst zögerte, ein Buch in Deutsch zu schreiben. Doch bereits 1957, drei Jahre nachdem er seinen Lebensmittelpunkt nach Altaussee zurückverlegt hatte, verfasste er seine zwei ersten Bücher in deutscher Sprache, und wahrscheinlich angespornt vom Erfolg der beiden deutschen Dokumentarbücher über die Revolution in Ungarn, den Posener Aufstand und die Zustände in den deutschen Ostgebieten unter polnischer Verwaltung, 1960 erstmals einen Roman. Sieben weitere Bücher, darunter fünf Romane, folgten.

Thematisch widmete er sich in seinen Werken unter anderem den Konflikten zwischen Ost- und Westblock, aber meist mit der Absicht, auf Einzelschicksale hinzuweisen, die unter den repressiven Regimes des europäischen Ostens litten, ohne generell den Kommunismus oder Sozialismus an sich zu verurteilen. Die Komponenten der Humanität und menschlichen Verbundenheit spielen in seinem Werk eine große Rolle, und vielfach enthalten seine Bücher ein Plädoyer für Toleranz und Gerechtigkeit.

Charles Wassermann hatte in seinem Leben mit mehreren Schicksalsschlägen zu kämpfen, von denen er sich aber nicht negativ beeinflussen ließ, die ihn vielmehr dazu bewegten, noch härter zu arbeiten, um seine ‚Berufung’ als Journalist und Schriftsteller ausüben zu können.

Er hatte Angst davor, dass seine Arbeitgeber ihn als blinden Fernseh- und Radioreporter nicht länger beschäftigen würden, deshalb entwickelte er mit Hilfe seiner Frau ein System, das dabei helfen würde, seine Blindheit zu verbergen. Gestik, Signale und angepasste Arbeitstechniken trugen dazu bei, dass bis in die 1970er kaum jemand von seiner Beeinträchtigung wusste, ausgenommen engste Vertraute. Mit dem autobiographischen Roman Die Nacht der hellen Stunden wurde seine Sehbehinderung bekannt, und er nahm auch öffentlich dazu Stellung, um Menschen, die mit körperlichen Einschränkungen kämpfen mussten, Mut zuzusprechen.

Heute ist Charles Wassermann kaum jemandem ein Begriff, denn seine Romane haben im deutschen Sprachraum nicht den erhofften Erfolg gebracht, und seine Werke sind kaum zugänglich, meist nur mehr in Antiquariaten erhältlich. Man sollte jedoch nicht auf den Literaten Charles Wassermann vergessen, der es mehr als verdient hat, ihm für sein literarisches und journalistisches Schaffen einen eigenen Platz neben seinem berühmten Vater einzuräumen. Um mit den Worten von Barbara Frischmuth zu schließen: „Daß er der Sohn des berühmten Schriftstellers Jakob Wassermann war, erwähne ich nur der Ordnung halber, es war nicht nötig, das zu wissen, um Charles Wassermann zu bewundern

Romane

Romane:
Ulrik,
Charles: Geheimstollen ‚K’. Hamburg: Verlag der Freizeit-Bibliothek 1961.
Ulrik, Charles: Lawine halb fünf. Hamburg: Verlag der Freizeit-Bibliothek 1960. Wassermann, Charles: Helden ohne Waffen. Das Rote Kreuz in zwölf Kriegen. Gütersloh: Bertelsmann 1967.
Wassermann, Charles: Der Journalist. Hamburg: Mosaik 1965.
Wassermann, Charles: Insulin. Der Kampf um eine Entdeckung. München: Langen-Müller1978.
Wassermann, Charles: Die Nacht der hellen Stunden. München, Berlin: Herbig 1974.

Sachbücher

Wassermann, Charles: Canadian Pacific. Die große Eisenbahn. München, Berlin: Herbig

1979.
Wassermann, Charles: CPR. Das Weltreich des Bibers. Gütersloh: Sigbert Mohn 1962. Wassermann, Charles: Kanada. Land der Zukunft. 20000 Kilometer kreuz und quer durch

Kanada, mit 71 Schwarzweissfotos und 16 Farbfotos. Gütersloh: Sigbert Mohn 1960. Wassermann, Charles: Tagebuch der Freiheit. Als Reporter in Ungarn und Polen. Hamburg:

Blüchert 1957.
Wassermann, Charles: Unter polnischer Verwaltung. Tagebuch. Gütersloh: Bertelsmann 1957. (=Wassermann, Charles: Europe’s Forgotten Territories. Copenhagen: R. Rouseell 1960.)

Aus einer Diplomarbeit von MMag. Katharina Hilbrand

©Literaturmuseum Altaussee

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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