Und jährlich grüßt das Murmeltier – auch für 2026 ist der allgemeine Tenor vieler Menschen: „Dieses Jahr wird alles anders!“ Ob Verzicht auf Alkohol, Nikotin und Co. oder mehr Zeit für Familie und Sport, die Neujahrsvorsätze sind vielfältig. Grundsätzlich bräuchte es kein spezielles Datum für derartige Vorsätze, warum also genau zum Jahreswechsel? Jolana Wagner-Skacel,Universitätsprofessorin für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Med Uni Graz, erläutert dieses Phänomen und gibt Tipps aus psychologischer Sicht, wie diese Vorsätze auch tatsächlich langfristig realisiert werden können.
Selbstdisziplin und realistische Ziele als Schlüssel zum Erfolg
Gerade rund um den 1. Jänner wächst der Wunsch, über Nacht umfassende Veränderungen einzuleiten: mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu treiben, sich gesünder zu ernähren oder überschüssige Kilos zu verlieren. Die Liste klassischer Neujahrsvorsätze ist lang – und ebenso lang ist jene der Vorhaben, die schon nach wenigen Wochen scheitern. Ein zentraler Grund dafür: Die Ziele sind oft zu ambitioniert und unrealistisch.
„Das erzeugt nicht nur Druck, sondern führt schnell zu Demotivation, wenn Veränderungen nicht sofort sichtbar werden. Gewohnheiten halten uns in vertrauten Mustern fest, die sich nicht von heute auf morgen ändern lassen“, erklärt Jolana Wagner-Skacel. „Umso wichtiger ist es, sich Freiräume im Denken und Handeln zu schaffen. Denn Gewohnheiten können sowohl unterstützen als auch einschränken. Entscheidend ist, sie zu reflektieren und eine Kultur der Selbstsorge zu entwickeln, die echte Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet“, so die Fachärztin. Somit kann das eigene psychische und physische Wohlbefinden aktiv gefördert und in den Alltag integriert werden.
Die Basis: klare Zielsetzungen
Auch klar definierte Ziele sind entscheidend: Konkrete Vorgaben wie „fünf Kilo abnehmen“ motivieren langfristig stärker als allgemeine Formulierungen à la „Ich will gesünder leben“. Erst mit klaren, realistischen Zielen wird Veränderung planbar und umsetzbar.
„Entscheidend für die nachhaltige Umsetzung ist, sich das gewünschte Ergebnis und das positive Gefühl dahinter lebhaft vor Augen zu führen. Diese innere Vorstellung hilft, auch weniger angenehme Aufgaben leichter anzugehen“, so Jolana Wagner-Skacel. Wird der Neujahrsvorsatz mit einer konkreten, gut umsetzbaren Handlung verknüpft, steigen die Erfolgschancen deutlich.
Kleine Schritte setzen bringt Erfolg
Erfolgversprechender als große Umbrüche sind kleine, alltagsnahe Schritte: regelmäßige Bewegungseinheiten, bewusste Essensentscheidungen oder das Lesen einiger Seiten eines Buches. Solche realistischen, ritualisierbaren Ziele bilden meist die stabilere Basis für nachhaltige Veränderungen. Doch wie gelingt der Einstieg?
Rituale als psychologischer Stabilitätsanker
Entscheidend ist die Verknüpfung des Vorsatzes mit einem bewussten Ritual. Rituale sind kleine, wiederkehrende Praktiken, die helfen, Charaktereigenschaften – Tugenden – zu kultivieren. Aktuelle Erkenntnisse aus Psychologie, Neurowissenschaften, Philosophie und Behavioral Science zeigen klar, warum kleine Rituale, Mikrogewohnheiten und Zielsetzungen entscheidend dafür sind, nachhaltige Veränderungen zu etablieren. Konkrete Beispiele für derartige Rituale: das Buch morgens sichtbar auf ein „Kontemplationstablett“ legen, abends eine Kerze als Startsignal entzünden, vor beziehungsweise nach dem Lesen immer dasselbe Getränk zu sich nehmen oder Spaziergänge täglich nach einer ohnehin stattfindenden Routine, wie etwa nach dem Abendessen, durchführen.
Wie Forschung erklärt, dass Rituale wirken
Diese Mini-Handlungen formen neue neuronale Bahnen und reduzieren Entscheidungskosten – und damit den häufigsten Grund des Scheiterns. Ein täglicher Spaziergang hilft beispielsweise dabei, Gefühle besser zu verarbeiten und zu regulieren. Die psychoanalytische Forschung zeigt, dass derartige Rituale die Angstregulation unterstützen und unbewusste Selbstsabotage verhindern können. Das Gehirn lernt über positive Verstärkung – eine Tasse Lieblingstee vor oder nach dem Lesen oder die Dokumentation sichtbarer Fortschritte stärken die Motivation.
Gemeinsam erfolgreich statt einsam scheitern
Veränderungen fallen deutlich leichter, wenn man sie gemeinsam in Angriff nimmt. In der Gruppe lassen sich neue Routinen und Verhaltensweisen einfacher in den Alltag integrieren – und es entstehen Freiräume, die den persönlichen Handlungsspielraum erweitern. Gemeinsame Erfahrungen unterstützen dabei, echte Richtungswechsel einzuleiten.

Univ. FÄin Priv.-Doz.in Dr.in med. univ. Jolana Wagner-Skacel
Medizinische Universität Graz
Credit: Med Uni Graz








