Wie sich Fresszellen unseres Körpers an nährstoffarme Tumor-Umgebungen anpassen

Makrophagen – Immunzellen, die an Entzündungsreaktionen und Tumorprozessen beteiligt sind – können ihren Stoffwechsel erstaunlich flexibel an eine nährstoffarme Umgebung anpassen. Das zeigt eine neue Studie der Medizinischen Universität Graz, die aktuell in der Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) erschienen ist. Das internationale Forschungsteam um Katharina Leithner vom Otto Loewi Forschungszentrum gemeinsam mit Erstautorin Katharina Schindlmaier konnte nachweisen, dass Makrophagen auch unter Glukosemangel aktiv bleiben, indem sie Teile des Zuckerstoffwechselwegs „umkehren“.

Makrophagen zeigen erstaunliche Stoffwechselflexibilität

Makrophagen, auch „Fresszellen“ genannt, sind weiße Blutkörperchen, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen. Sie erkennen, umschließen und zerstören Krankheitserreger und beschädigte Zellen. Im Körper erfüllen sie eine Vielzahl von Funktionen, darunter die Beseitigung von Infektionen und die Steuerung von Entzündungsreaktionen, zudem fördern sie das Tumorwachstum durch Unterdrückung anderer Immunzellen. In der Mikroumgebung von Tumoren, wie beispielsweise Lungentumoren, herrscht häufig ein Mangel an bestimmten Nährstoffen wie Glukose (Traubenzucker). Für den Stoffwechsel von Makrophagen bedeutet das eine große Herausforderung. Mit stabilen Isotopenmarkierungen und Stoffwechselanalysen zeigte das Forschungsteam an der Med Uni Graz gemeinsam mit Kooperationspartner*innen aus Österreich und Spanien, dass Makrophagen bei Glukosemangel Teilschritte der Glukoneogenese aktivieren. Dieser Stoffwechselweg, der normalerweise in der Leber für die Neubildung von Glukose sorgt, wurde von der Forschungsgruppe auch schon in Lungenkrebszellen nachgewiesen. Diese Anpassung wird durch das Enzym Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase 2 (PCK2) vermittelt. Gleichzeitig verstärkten die Zellen die Nutzung von Glutamin als alternative Kohlenstoff- und Brennstoffquelle. „Diese Erkenntnis bringt unsere Forschung auf eine neue Ebene. Sie zeigt, wie anpassungsfähig das Immunsystem ist – selbst unter Bedingungen, in denen kaum Glukose verfügbar ist“, erklärt Erstautorin Katharina Schindlmaier vom Lehrstuhl für Pharmakologie.

Verhalten von Immunzellen bei Krebs im Fokus

Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass dieses alternative Stoffwechselprogramm auch in Makrophagen aus Lungengewebe und Lungenkrebsproben aktiviert ist. Damit zeigt die Studie, dass Immunzellen in der Tumorumgebung eine hohe metabolische Anpassungsfähigkeit besitzen – ein wichtiger Faktor für ihr Verhalten bei Entzündung und Krebs. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Makrophagen nicht einfach auf Glukose angewiesen sind, sondern über vielseitige Wege verfügen, um ihre Versorgung sicherzustellen“, erklären die Forscherinnen. „Das verbessert unser Verständnis dafür, wie Immunzellen in der Tumorumgebung funktionieren, und könnte langfristig neue therapeutische Ansätze eröffnen.“ Interessanterweise blieben unter Glukosemangel zwar zentrale Funktionen der Makrophagen unbeeinflusst, bestimmte Steuerungsmoleküle der Makrophagen für andere Immunzellen waren durch Glukoseentzug jedoch signifikant verändert. Die Bedeutung dieser Anpassungen wird nun von der Forschungsgruppe weiter untersucht.

Katharina Schindlmaier und Katharina Leithner Foto: Med Uni Graz

Potenzial für neue Therapien

Das Wissen um diese Anpassungsmechanismen könnte künftig helfen, gezielte Strategien zur Beeinflussung des Immunsystems in der Krebsbehandlung zu entwickeln. Wenn es gelingt, den Stoffwechsel von Makrophagen gezielt zu modulieren, ließe sich möglicherweise ihre entzündungsfördernde oder -hemmende Aktivität therapeutisch steuern – etwa um die Wirksamkeit von Immuntherapien zu verbessern.

Die neuen Erkenntnisse erweitern das Verständnis darüber, wie Immunzellen ihren Stoffwechsel an herausfordernde Bedingungen anpassen, und könnten in Zukunft eventuell einen wichtigen Puzzlestein bei der Verbesserung der Immuntherapie darstellen. „Wenn wir verstehen, wie sich verschiedene Zelltypen in der Tumorumgebung verhalten, können wir vielleicht lernen, diese Umgebung gezielt zu beeinflussen – also Bedingungen zu schaffen, die für die Patient*innen günstig und für den Tumor ungünstig sind“, blickt Katharina Schindlmaier in die Zukunft.

Das Projekt wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) sowie von der Fachgesellschaft EMBO unterstützt.

Steckbrief: Katharina Leithner

Katharina Leithner leitet die Forschungseinheit Lung Cancer Metabolism and Microenvironment am Lehrstuhl für Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz. Ziel ist es, den Einfluss des zellulären Stoffwechsels auf das Zusammenspiel von Tumorzellen und Immunzellen zu verstehen und potenzielle Angriffspunkte im Metabolismus von Tumorzellen zu identifizieren. In ihrer Forschung fokussiert sie sich auf Lungenkrebs, einen Tumor mit häufig ungünstiger Prognose trotz zahlreicher neuer Therapieoptionen. Von besonderem Interesse sind Stoffwechselwege, die in Tumorzellen und bestimmten Immunzellen unter ungünstigen Nährstoffbedingungen, wie sie bei Lungenkrebs vorhanden sein können, eingeschaltet werden.

Über den Autor

Markus Raich
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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