Die Teilzeit-Illusion: Warum viele Frauen keine echte Wahl haben

Teilzeit wird oft als Lösung für Vereinbarkeit verkauft. In der Praxis zeigt sich jedoch: Betreuungslücken, Niedriglöhne und Rollenbilder drängen viele Frauen in dieses Modell, wie der Dachverband der steirischen Frauen*- und Mädchen*beratungsstellen berichtet.

Die steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen begleiten seit Jahrzehnten Frauen in unterschiedlichsten Lebenslagen. Ihre Erfahrungen zeigen deutlich: „Teilzeit wird oft als Lösung für Vereinbarkeit verkauft. In Wahrheit zwingt ein System aus Betreuungslücken, Niedriglöhnen und Rollenbildern viele Frauen in dieses Modell“, heißt es aus dem Dachverband. Für die Betroffenen bedeutet das nicht Flexibilität, sondern Abhängigkeit, Einkommensverluste und ein hohes Risiko von Altersarmut – und nur selten echte Wahlfreiheit.

In Österreich arbeitet fast jede zweite angerstellte Frau in Teilzeit. Was kurzfristig hilft, Beruf und Familie zu vereinbaren, zeigt langfristig gravierende Folgen: In der Steiermark liegt die durchschnittliche Frauenpension derzeit bei 1.443 Euro – und damit deutlich unter der Armutsgefährdungsgrenze von 1.661 Euro netto.

Die Frauen- und Mädchenberatungsstellen sehen darin ein klares Muster: Frauen reduzieren ihre Arbeitszeit nicht, weil sie es wollen, sondern weil Strukturen sie dazu zwingen. Fehlende Kinderbetreuung, unflexible Arbeitszeiten, niedrige Löhne und tradierte Rollenbilder bestimmen, wie viel Erwerbsarbeit möglich ist.

„Viele Frauen sagen uns: Mehr Stunden würden sich gar nicht lohnen, weil das zusätzliche Einkommen sofort für Betreuungskosten verschwindet“, erklärt Astrid Kniendl von Akzente. Auch Frauen über 45 berichten, dass sie Vollzeit gesundheitlich nicht mehr durchhalten – oft nach Jahren in belastenden Schicht- oder Pendeljobs. Gleichzeitig übernehmen viele in dieser Lebensphase zusätzliche Care-Arbeit, etwa die Pflege ihrer Eltern. Diese Doppelbelastung macht eine Vollzeitstelle für viele schlicht unmöglich.

Nur wenige Frauen streben überhaupt den Sprung von Teilzeit auf Vollzeit an. Viel häufiger geht es um kleine Aufstockungen – von 20 auf 25 Stunden etwa. Doch auch das scheitert an der Realität: Schulen enden zu Mittag, Ganztagesbetreuung ist lückenhaft, viele Betriebe bieten nur starre Arbeitszeitmodelle an. „Teilzeit entsteht nicht im luftigen Raum von individuellen Entscheidungen“, sagt Sandra Janics-Jakomini von der Beratungsstelle Freiraum. „Sie spiegelt ein System wider, in dem Rollenbilder, ökonomische Zwänge und fehlende Strukturen zusammenspielen.“

Besonders im ländlichen Raum verstärken sich diese Dynamiken. Männer pendeln in höher bezahlte Jobs, Frauen bleiben in Teilzeitstellen vor Ort – und geraten so in wirtschaftliche Abhängigkeit vom Partner. Spätestens mit dem ersten Kind scheint diese Abhängigkeit einzementiert, so Ulrike Gärtner von Innova.

Der Dachverband der steirischen Frauen*- und Mädchen*beratungsstellen macht sichtbar, was in Statistiken leicht abstrakt bleibt: die unmittelbaren Auswirkungen auf Lebensläufe, Familienmodelle und Altersabsicherung. Die Beratungsstellen sensibilisieren seit Jahrzehnten für die Folgen struktureller Ungleichheiten – und zeigen, wo Veränderung dringend nötig ist: von flächendeckender, leistbarer Kinderbetreuung über faire Bezahlung in frauendominierten Branchen bis hin zu einem verpflichtenden Pensionssplitting während der Kinderbetreuungszeit.

Die Frauen- und Mädchenberatungsstelle PHILOMENA mit den Standorten Liezen und der Außenstelle Gröbming ist Mitglied des Dachverbands steirischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Wir beteiligen uns an der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Mädchen in allen Lebensbereichen und stellen in der Region ein entsprechendes Informations- und Beratungsangebot zur Verfügung. Für weitere Auskünfte sowie Terminvereinbarungen wenden Sie sich bitte an:

Philomena | Frauen- und Mädchenberatungsstelle Liezen

  • Fronleichnamsweg 15/1, 8940 Liezen
  • Außenstelle in 8962 Gröbming, Poststraße 700
  • Auskünfte und Information unter 0664/84 91 422 von Montag 11 – 12 Uhr, Mittwoch 15 – 16 Uhr und Freitag 9 – 10 Uhr
  • Mail: philomena@psn.or.at
  • Website: www.philomena.or.at

Weitere Hilfsangebote in Krisen und bei Gewalterfahrungen:

  • 0316 / 774199 Gewaltschutzzentrum Steiermark
  • 0316 / 42 99 00 24 Stunden-Hotline des Verein Frauenhäuser Steiermark
  • 0800 / 222 555 Frauenhelpline
  • Telefonische Erreichbarkeit der Beratungszentrum Liezen / Gröbming: 03612/26322-10 (Mo – Fr 9-16 Uhr)

Über den Autor

Markus Raich
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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