Digitale Zwillinge des Herzens – Marie-Curie-Stipendiatin forscht an personalisierter Therapie

Neue Wege gegen Herzrhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern betreffen Millionen Menschen weltweit – und können zu schwerwiegenden Komplikationen wie Schlaganfällen oder Herzinsuffizienz führen. Doch welche Therapie passt zu welchem Herzen? Die Forschungsgruppe von Gernot Plank an der Med Uni Graz entwickelt dafür digitale Werkzeuge der Zukunft: sogenannte digitale Zwillinge des Herzens, die helfen sollen, das individuelle Risiko besser einzuschätzen und Behandlungen gezielt zu planen.

Aktuell wird das Team durch Elena Zappon, italienische Mathematikerin, verstärkt. Im Rahmen eines Marie Skłodowska-Curie European Fellowships der Europäischen Kommission arbeitet sie an der Kalibrierung virtueller Herzmodelle, die aus realen Bild- und Funktionsdaten erstellt werden – mit dem Ziel, das elektrische Verhalten eines individuellen Herzens möglichst genau nachzubilden. Damit möchte sie einen Beitrag dazu leisten, Herzerkrankungen künftig besser vorhersagen und personalisierter behandeln zu können – auf der Grundlage eines vertieften Verständnisses am Computer.

Virtuelle Vorhöfe: Wo Simulation Leben retten könnte

Ein besonderer Fokus liegt auf den Herzvorhöfen, deren Störungen – wie etwa Vorhofflimmern – mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen. Besonders komplex wird die Behandlung, wenn die genaue Ursache der Rhythmusstörung im Gewebe nicht eindeutig lokalisiert werden kann – etwa bei Patient*innen, bei denen die Standardtherapie keine Wirkung zeigt. Genau hier setzt Elena Zappons Arbeit an: Sie entwickelt Methoden, um aus klinischen Bilddaten (z. B. MRT oder CT) ein realistisches 3D-Modell der Herzvorhöfe zu rekonstruieren und es mit funktionellen Informationen wie Elektrokardiogrammen (EKG) zu kombinieren. So entsteht ein digitales Herzmodell, das nicht nur die anatomische Form, sondern auch das elektrische Verhalten eines individuellen Herzens nachbildet.

In enger Zusammenarbeit mit den Forschungsteams von Gernot Plank und dem Kardiologen Daniel Scherr, sowie mit internationalen Universitäten und Industriepartner*innen, arbeitet sie an Wegen, um beispielsweise den Ursprung von elektrischen Störungen punktgenau zu identifizieren – oder um zu simulieren, welche Auswirkungen ein geplanter Ablationseingriff (kathetergestütztes Verfahren zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen) hätte. Statt wie bisher ausschließlich auf Erfahrungswerte und Standardprotokolle zu vertrauen, könnten Mediziner*innen künftig mithilfe eines virtuellen Herzmodells verschiedene Therapieszenarien am Computer testen, bevor sie eine Entscheidung treffen – ohne Risiko für die Patient*innen.

Moderne Herzmedizin trifft Hochleistungsrechner

Was medizinisch klingt, basiert auf hochkomplexer Mathematik und Rechenleistung. Die Arbeit von Elena Zappon verbindet medizinische Bildverarbeitung, mathematische Modellierung und numerische Simulation. Grundlage dafür sind leistungsfähige Softwareplattformen, die von Gernot Plank und seinem Team an der Med Uni Graz über viele Jahre entwickelt wurden.

Mit diesen Tools lassen sich elektrophysiologische Prozesse im Herzen – etwa sogenannte Reentry-Kreise, bei denen elektrische Signale kreisförmig „gefangen“ sind, oder Leitungshindernisse durch krankhaft verändertes Gewebe – realistisch simulieren. So kann beispielsweise vorhergesagt werden, ob eine bestimmte Form von Vorhofflimmern durch eine punktuelle Verödung unterbrochen werden kann – oder ob eine andere Behandlungsstrategie erfolgversprechender wäre.

Langfristig könnten solche digitalen Herzmodelle als Entscheidungshilfe in der Klinik dienen: zur präziseren Diagnose, zur Auswahl der passenden Therapie oder auch zur individuellen Nachsorge – immer auf Basis patient*innenspezifischer Daten.

Europäische Spitzenförderung für lebensnahe Forschung

Das Marie Skłodowska-Curie-Programm zählt zu den renommiertesten Förderlinien für exzellente Nachwuchswissenschafter*innen in Europa. Es unterstützt Projekte mit hohem Innovationspotenzial, die internationale Mobilität und interdisziplinäre Zusammenarbeit vereinen. Die Arbeit von Elena Zappon zeigt exemplarisch, wie daraus konkrete Beiträge zur Verbesserung der Herzgesundheit entstehen – und wie Europa den Brückenschlag zwischen Theorie, Technologie und Klinik fördert.

Foto von Gernot Plank und Elena Zappon
Credit: Foto Fischer/Med Uni Graz

Über den Autor

Markus Raich
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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