Verkehrssystem muss auf ältere Fußgängerinnen und Fußgänger mehr Rücksicht nehmen


VCÖ: Anteil des Gehens an der Mobilität bei älteren Menschen höher als bei jüngeren 

Mit dem demografischen Wandel ändern sich die Anforderungen an das Verkehrssystem. Diese gilt es bereits heute in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen, betont die Mobilitätsorganisation VCÖ. Der Anteil der über 65-Jährigen wird in der Steiermark in den kommenden zehn Jahren von heute 22 auf 27 Prozent steigen. Die Zahl der über 85-Jährigen wird in der Steiermark in den kommenden 20 Jahren von heute 39.900 auf 71.800 stark zunehmen. Im Alter steigt die Bedeutung des zu Fuß gehens für die Mobilität stark an, informiert der VCÖ. 

“Auch unser Verkehrssystem muss sich an den demografischen Wandel anpassen. Und das heißt konkret mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse älterer Menschen allgemein nehmen und auf ältere Fußgängerinnen und Fußgänger im Besonderen”, stellt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky fest. Österreichweit gehen über 65-Jährige im Schnitt täglich etwa 15 Minuten zu Fuß, fast 50 Prozent mehr als der Durchschnitt aller Altersgruppen. Mobil zu sein und zu bleiben ist für ältere Menschen zentral für die soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben, weist der VCÖ auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin.

Zudem hat die Mobilität zu Fuß vielfache positive Gesundheitswirkungen, insbesondere für ältere Menschen. Studien zeigen, dass schon 30 Minuten moderate tägliche Bewegung Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes, Krebs und Osteoporose vorbeugen. Eine umfassende Metastudie zeigt, dass besonders bei Personen ab 60 Jahren mit einer höheren täglichen Schrittanzahl die Wahrscheinlichkeit eines längeren Lebens steigt. Dabei wirken sich bereits deutlich weniger als 10.000 Schritte pro Tag positiv aus, schon bei rund 5.000 bis 8.000 Schritten kann eine starke positive Gesundheitswirkung erreicht werden, macht der VCÖ aufmerksam. Auch das Risiko für chronische Rückenschmerzen sinkt. Neben den körperlichen Vorteilen verbessert die Bewegung durch zu Fuß gehen Schlaf, Gedächtnis und kognitive Leistungen und reduziert zudem das Demenzrisiko. 

Wichtig ist, auch bei der Verkehrssicherheit einen Fokus auf ältere Fußgängerinnen und Fußgänger zu legen, betont der VCÖ. Dabei spielt Verkehrsberuhigung und mehr Tempo 30 statt 50 eine zentrale Rolle. “Bei  einer Kollision mit Tempo 50 liegt das Risiko tödlich verletzt zu werden für Fußgängerinnen und Fußgänger über 60 Jahre bei 70 Prozent, bei Tempo 30 sinkt es auf 30 Prozent. Temporeduktion ist eine wirksame Maßnahme zur Verringerung von Unfallschwere und Unfallrisiko. Denn Tempo 30 statt 50 halbiert den Anhalteweg”, erläutert VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Seit Juli 2024 können Städte und Gemeinden einfacher Tempo 30 in Bereichen mit besonderem Schutzbedarf einführen. Dazu zählen auch Senioren- und Pflegeeinrichtungen, erinnert der VCÖ.

Im Alter nehmen kognitive und körperliche Funktionseinbußen zu. Typische Einschränkungen sind verlängerte Reaktionszeiten, schnellere Ermüdung sowie eine Abnahme des Seh- und Hörvermögens. Entfernungen und Geschwindigkeiten anderer Verkehrsteilnehmender können schlechter eingeschätzt werden. “Die veränderten Anforderungen im Alter erfordern angepasste Infrastrukturen. Gehwege sollten mindestens zwei Meter breit, rutschfest und frei von Hindernissen sein, damit sie auch für Rollatoren geeignet sind”, betont VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky.

Bei Bus-Haltestellen entlang von Freilandstraßen braucht es ein reduziertes Tempolimit für den Kfz-Verkehr sowie Mittelinseln, damit ältere Menschen, aber auch Kinder, die den Bus für den Schulweg nutzen, die Straße sicher überqueren können, weist der VCÖ auf einen weiteren wichtigen Punkt für ein seniorengerechtes Verkehrssystem hin.

Auch der Klimawandel erfordert verstärkte Maßnahmen. Eine Zunahme der Hitzetage stellt für viele ältere Personen ein erhebliches Risiko dar. Gehsteige sollen daher nicht in der prallen Sonne liegen, sondern durch Bäume mehr Schatten bieten. Wichtig ist auch, dass es bei Warteflächen bei Fußgängerampeln Schatten gibt ebenso bei jeder Bus-Haltestelle.

Bei Fußgängerampeln ist auf das Geh-Tempo älterer Menschen stärker Rücksicht zu nehmen. “Bei Fußgängerampeln wird üblicherweise eine Geschwindigkeit von 1,2 Metern pro Sekunde angenommen, was für ältere Personen oder Personen mit Rollatoren und anderen Gehhilfen Stress verursachen kann. Damit auch langsamere Personen die Straße in der vorgesehenen Zeit queren können, sollte die allgemeine Bemessungsgeschwindigkeit auf 0,8 Meter pro Sekunde reduziert werden”, stellt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky fest.

VCÖ-Factsheet “Gesunde und selbstbestimmte Mobilität im Alter fördern”  www.vcoe.at

Der “VCÖ – Mobilität mit Zukunft” ist eine auf Mobilität und Transport spezialisierte, gemeinwohlorientierte Organisation. Ziel des VCÖ ist ein ökologisch verträgliches, ökonomisch effizientes und sozial gerechtes Verkehrssystem. Die Sichtweise des VCÖ ist global orientiert, themenübergreifend und berücksichtigt die Interessen zukünftiger Generationen.

Über den Autor

Markus Raich
Medieninhaber u. Geschäftsführer

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: (c) arf.at