Das AIT Center for Technology Experience und der Baukonzern STRABAG haben eine VR-Trainingslösung für sicheres Verhalten und frühzeitiges Erkennen von potentiellen Gefahren auf Baustellen mit schweren Baumaschinen entwickelt.

Foto: © AIT/Christine Wahlmüller-Schiller
Ob Bagger, Straßenwalzen oder Muldenkipper – der sichere Umgang mit großen Baumaschinen muss gelernt und geübt werden. In der Praxis gilt es, Ausbildung und Unterweisung wirkungsvoll in eng getaktete Abläufe zu integrieren, damit Bauarbeiter:innen auch nach kurzer Einführung sicher agieren können. Die Gefahren auf Baustellen sind vielfältig und das erworbene Sicherheitsbewusstsein oft zu niedrig, wie ein Blick auf die AUVA-Unfallstatistik zeigt: 2023 passierten die meisten Arbeitsunfälle in der produzierenden Industrie, gleich an zweiter Stelle folgte die Baubranche.
Für drei Baumaschinen je drei Trainingsmodule
Nach umfassender Analyse des Gefahrenpotenzials auf Baustellen wurde gemeinsam von den Expert:innen von STRABAG und AIT eine wirkungsvolle Sicherheitsunterweisung für Personen auf der Baustelle entwickelt. BuildsaVR konzentriert sich dabei vorerst auf die Schulung von Bauarbeiter:innen, die auf unübersichtlichen oder engen Baustellen und in der Nähe großer Fahrzeuge wie Bagger, Straßenwalzen und Muldenkipper arbeiten. Für diese drei Baumaschinen wurden jeweils drei VR-Trainingsmodule entwickelt:
Fahrzeugkontrolle und Arbeitsvorbereitung: Überprüfung auf Sicherheitsmängel und Durchführung von Sicherheitschecks an den Baumaschinen.
Situationsbewusstsein und Perspektivwechsel: Entwicklung von Verständnis für die komplexe Baustellenumgebung. Die Trainierenden erleben verschiedene Perspektiven: am Steuer des Fahrzeugs (u.a. Erkennen des Toten Winkels) sowie als Baustellenpersonal, das sich zu Fuß bewegt bzw. auf der Baustelle tätig ist.
Anwendungsszenario: Umsetzung des Erlernten in komplexeren Situationen und Meistern von realistischen Herausforderungen des Baustellenalltags (z.B. sicheres Passieren einer engen Stelle mit einem Bagger, unfallfreies und vorausschauendes Fahren mit einer Straßenwalze).
„Arbeitssicherheit kann gut in Virtual Reality trainiert werden, das hat viele Vorteile. Die Trainierenden können jederzeit individuell orts- und zeitunabhängig mit einem Headset die einzelnen Trainingsmodule mit kritischen Situationen gefahrlos absolvieren – auch Wiederholungen sind kein Problem und festigen das Wissen“, unterstreicht AIT-Forscher Helmut Schrom-Feiertag vom AIT Center for Technology Experience. Das AIT besitzt langjährige Erfahrung im Bereich VR-Technologien im Trainings- und Ausbildungs-Bereich, inklusive Gestaltung von Simulationsumgebungen und begleitender Evaluation. Auch interdisziplinäre user-orientierte Herangehensweise oder Faktoren wie Stressmessung, Kommunikation im Team sowie multisensorischen Erfahrungen stehen dabei im Fokus.
Verschiedenste VR-Trainingslösungen wurden bereits für Einsatzkräfte wie Polizei, Notfallsanitäter:innen und Feuerwehr sowie für die Forstwirtschaft vom AIT in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Einrichtungen und verschiedensten Partnern entwickelt und evaluiert. „Wichtig ist, dass die Trainer:innen mit ihren Erfahrungen sowie die bisherigen Ausbildungsziele von Anfang an mit einbezogen werden“, betont Helmut Schrom-Feiertag. Darüber hinaus ist auch die genaue Kenntnis vom Alltag auf Baustellen, von gefährlichen Situationen sowie potenziellen Risiken von Bedeutung. Genauso wichtig ist es, didaktisches Know-how zu haben, wie Trainingsszenarien gestaltet werden müssen, um den optimalen Trainingserfolg zu erzielen.
VR-Training als ergänzende Ausbildungsmethode: Hohe Zufriedenheit
Die komplexen Herausforderungen auf Baustellen machen es erforderlich, Trainingsunterlagen und Arbeitseinweisungen kontinuierlich weiterzuentwickeln. „Die neue Trainingsmöglichkeit mit Headsets in Virtual Reality ist eine optimale Erweiterung und Ergänzung zu klassischen Ausbildungsmethoden“, ist Jens Hoffmann, Zentralbereichsleiter STRABAG Innovation & Digitalisation, überzeugt. „Wir haben damit die Möglichkeit, die Bauarbeiter:innen abseits des Alltags bestmöglich auf den Einsatz in der Praxis vorzubereiten und das Sicherheitsbewusstsein zu steigern.“
„Durch die immersive VR-Erfahrung können die Trainierenden die Perspektive der Baumaschinenlenker:innen einnehmen und deren eingeschränktes Sichtfeld hautnah erleben. Dies fördert ein tiefgreifendes Verständnis für potenzielle Gefahren und hilftdabei, riskante Situationen besser einzuschätzen“, erklärt Helmut Schrom-Feiertag. Das Beste daran: Die Ausbildung in Virtual Reality ist völlig gefahrlos und macht noch dazu den Trainierenden Spaß. In einer Evaluationsstudie des AIT zeigte sich, dass die Usability der Trainingslösung insgesamt und die virtuelle Steuerung der Baumaschinen sehr gut bewertet wurden. Die Akzeptanz und Zufriedenheit mit der BuildsaVR Trainingslösung ist in allen Altersgruppen sehr hoch. Die Anforderung nach Mehrsprachigkeit wurde durch absolute Minimierung von Text und Konzentration auf visuelles Erklären durch Bilder und Videos gelöst.

Foto: © STRABAG/Rudolf Froese
Dass Projekt BuildsaVR wurde jetzt auch für den renommierten eAward in der Kategorie „Zukunftstechnologien“ nominiert.
Fazit und Ausblick
Mit BuildsaVR wurden neue Maßstäbe in der Sicherheitsschulung für das Baugewerbe gesetzt. Das innovative VR-Training bietet eine effektive Möglichkeit, das Risiko von Baustellenunfällen zu reduzieren und die Sicherheit für alle Beteiligten zu erhöhen. „Es ist uns damit gelungen, eine effektive Lösung zur Unfallprävention zu entwickeln. Mit digitalen Lösungen wie BuildsaVR fördern wir eine nachhaltige Sicherheits- und Schulungskultur und treiben die Digitalisierung innerhalb der STRABAG voran“, resümiert Jens Hoffmann.
In Fortführung von BuildsaVR wird bereits an neuen Trainingsmodulen sowie an weiteren Tätigkeiten im Bausektor gearbeitet, etwa Aufsichtführende (Baustellenrundgang), Asbestfachleute (Gebäudebegehung), Bauhofmitarbeitende (LKW-Verladung), Ersthelfende (Unfallbewältigung), Mechatroniker:innen für Kräne (Arbeiten in der Höhe) oder Straßenbauer:innen (Baustellenabsicherung).
Über das AIT Austrian Institute of Technology
Das AIT Austrian Institute of Technology ist mit über 1.600 Beschäftigten und einer Betriebsleistung von über 200 Mio. Euro Österreichs größte Forschungs- und Technologieorganisation. Das AIT fokussiert auf die Forschungsschwerpunkte „Nachhaltige und resiliente Infrastrukturen“, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Gesundheit, sowie die „Digitale Transformation von Industrie und Gesellschaft“ und arbeitet dabei eng mit Universitäten, der Industrie und öffentlichen Institutionen zusammen.
Über STRABAG
STRABAG SE ist ein europäischer Technologiekonzern für Baudienstleistungen, führend in Innovation und Kapitalstärke. Unser Angebot umfasst sämtliche Bereiche der Bauindustrie und deckt die gesamte Bauwertschöpfungskette ab. Wir schaffen Mehrwert für unsere Kund:innen, indem wir Bauwerke ganzheitlich, über den gesamten Lebenszyklus betrachten – von der Konzeption über die Planung und Errichtung, den Betrieb und das Facility Management, bis hin zur Umnutzung oder den Rückbau. Dabei übernehmen wir Verantwortung für Mensch und Umwelt: Wir arbeiten an der Zukunft des Bauens und investieren in unsere derzeit mehr als 250 Innovationsprojekte und 400 Nachhaltigkeitsprojekte. Durch das Engagement unserer rd. 86.000 Mitarbeiter:innen erwirtschaften wir jährlich eine Leistung von etwa € 19 Mrd. Mit einem dichten Netz aus zahlreichen Tochtergesellschaften in vielen europäischen Ländern und auch auf anderen Kontinenten erweitern wir unser Einsatzgebiet weit über Österreichs und Deutschlands Grenzen hinaus. Gemeinsam, im Schulterschluss mit starken Partner:innen, verfolgen wir ein klares Ziel: klimaneutral und ressourcenschonend planen, bauen und betreiben.