Gemeinsam aktiv bleiben – auch bei Hitze

Wie ältere Menschen trotz Hitze oder schlechter Luftqualität fit bleiben und zu mehr Bewegung motiviert werden können – das untersucht das Projekt KliMate unter Leitung des AIT Center for Technology Experience.

Das Thermometer zeigt 30 oder 32 Grad oder noch mehr – für viele ältere Menschen der Grund, zu Hause zu bleiben oder möglichst wenig Bewegung zu machen, weil das bis dato immer so empfohlen wurde. Der falsche Weg, ist ein Forschungsteam unter Leitung des AIT Austrian Institute of Technology überzeugt. Gerade im fortgeschrittenen Alter ist regelmäßige aktive Bewegung entscheidend für die physische, aber auch psychische Gesundheit. Je älter man wird, umso mehr sollte man auf ausreichende körperliche Betätigung achten.

Das Forschungsprojekt KliMate unter Leitung von Diotima Bertel vom Center for Technology Experience des AITuntersucht, wie ältere Menschen mithilfe digitaler Technologien sowie neuer sozialer Formate, etwa dem “Bewegungsstammtisch”, dazu motiviert werden können, sich moderat und der Temperatur angepasst gemeinsam sportlich zu betätigen. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, den Menschen individuelle und orts- bzw. wetterspezifische Bewegungsempfehlungen zu vermitteln – diese werden im Projekt erarbeitet. Trotz extremer Wettersituationen werden 150 Minuten Bewegung pro Woche sowie zwei Mal wöchentlich muskelkräftigende Aktivitäten angestrebt.

Social Experience Forschung
Das Projekt trägt zum Forschungsschwerpunkt Social Experience am AIT bei. Im Fokus steht dabei die komplexe Frage, wie technologische Innovationen die vielfältigen gesellschaftlichen Bedürfnisse bestmöglich abdecken können, und wie zugleich soziale Gerechtigkeit geschaffen werden kann. Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die ökologische Nachhaltigkeit. „Bei KliMate geht es uns in erster Linie darum, das physische und psychische Wohlbefinden älterer Menschen zu steigern – neue Technologien können da gut unterstützen“, erklärt Diotima Bertel.

Von Anfang an waren die Zielpersonen (65 Jahre und älter) in das Projekt miteingebunden. „Bei KliMate setzen wir auf die Methode des Living Labs“, erklärt Forscher Markus Garschall, der langjährige Erfahrungen zur Entwicklung innovativer Gesundheitstechnologien einbringt. „Unter einem Living Lab verstehen wir ein realitätsnahes Innovationsumfeld – das kann ein Altersheim, eine Wohnung oder eine Fabrik sein – in dem neue Technologien, Dienstleistungen oder Produkte unter aktiver Beteiligung von Nutzer:innen und Forscher:innen in einem realen Nutzungskontext entwickelt, getestet und weiterentwickelt werden.“ Im Living Lab wird erforscht, wie es gelingt, ältere Menschen wetteradäquat zu ermächtigen, selbst zu entscheiden, wann und wo ihnen welche körperliche Aktivität guttut. Dazu soll künftig auch eine App zum Einsatz kommen.

Entwicklung der KliMate App
„Für uns bedeutet die Mitarbeit an KliMate eine weitere zukunftsweisende Tätigkeit an der Schnittstelle von mobiler Digitaltechnologie und benutzerzentriertem Interface-Design“, erklärt Gunther Reisinger, Head of Funding and Research beim Projektpartner NOUS. Ganz im Sinne des Digitalen Humanismusentwickelt NOUS die maßgeschneiderte KliMate App, die es älteren Menschen erlauben soll, ihre sportlichen und gesundheitsfördernden Aktivitäten den klimatischen Bedingungen anzupassen und diese Tätigkeiten in der App zu verzeichnen. Die web-basierte Applikation kann über jedes Gerät und jede Plattform barrierefrei benutzt werden. Die App zeichnet sich dadurch aus, dass sie Bewegungsempfehlungen mit den aktuellen Wetterdaten verknüpft, sodass jede Empfehlung wettergerecht ist.

Als nationaler Wetterdienst und zentrale Anlaufstelle für Klimaforschung in Österreich stellt GeoSphere Austria für die KliMate App umfangreiche Daten und fundiertes Fachwissen zur Verfügung. „Ziel ist es, älteren Menschen ab 65 Jahren eine verlässliche Unterstützung bei der Alltagsplanung zu bieten – etwa durch leicht verständliche Wetter- und Umweltinformationen – und so ihre aktive Mobilität nachhaltig zu fördern“, betont Maximilian Weissinger von GeoSphere Austria. In Kombination mit der digitalen Vermittlung von Sport- und Freizeitangeboten rund um den eigenen Standort soll somit die körperliche Fitness und soziale Teilhabe gesteigert werden. Dank Daten der GeoSphere Austria kann das Alltagsprogramm an jede Wetterlage angepasst werden.

Das Studio Dankl, spezialisiert auf Co-Creation-Beratung und partizipative Design-Entwicklung, unterstützt im Projekt den Entwicklungsprozess: „Wir tragen gezielt dazu bei, klimaangepasste Bewegung im öffentlichen Raum zu fördern und die internationalen Bewegungsempfehlungen alltagsnah und nachhaltig umzusetzen“, unterstreicht Geschäftsführerin Kathrina Dankl.

Bewegungsgruppen und Modellrechnung für ganz Österreich
Mit zwei Bewegungsgruppen wird gezielt und in einem agilen Prozess an der Entwicklung der App und an der Erarbeitung von konkreten Bewegungsempfehlungen gearbeitet. Dazu wurde vom AIT eine Tagebuchstudie durchgeführt und für den Entwicklungsprozess herangezogen. Wichtig ist es, nicht nur technologisch neue Formate zu finden, sondern auch über neue soziale Formate nachzudenken. Der von den Forscher:innen entwickelte „Bewegungsstammtisch“ findet bei den älteren Menschen viel Anklang.

Ein wichtiger Partner bei KliMate ist die Akademie für Altersforschung (AAF) am Haus der Barmherzigkeit. „Unsere nächsten Aktivitäten zielen auf eine vertiefende Analyse der gesundheitlichen und klimarelevanten Auswirkungen körperlicher Aktivität im Alter ab“, erklärt Thomas Dorner von der Akademie für Altersforschung. Gemeinsam mit dem Karl-Landsteiner Institut für Gesundheitsförderungsforschung (KLI) und der Universität für Bodenkultur (BOKU) plant die AAF eine Modellrechnung für Österreich. Dabei werden verfügbare Daten genutzt, um zu berechnen, wie stark Bewegungsmangel die Gesundheit älterer Menschen beeinflusst. Im Mittelpunkt steht der sogenannte “Population Attributable Fraction” (PAF). Dieser Wert zeigt, wie viele Krankheiten oder gesundheitliche Probleme vermieden werden könnten, wenn sich ältere Menschen ausreichend bewegen würden. Im nächsten Schritt wird untersucht, wie sich mehr Bewegung auch positiv auf das Klima auswirken könnte. Der Grund: Chronisch kranke Menschen müssen öfter ins Krankenhaus, und Krankenhäuser verbrauchen viel Energie und stoßen viele Treibhausgase aus. Wenn also durch mehr Bewegung weniger Menschen krank werden und ins Krankenhaus müssen, könnten auch CO₂-Emissionen eingespart werden. Mehr Bewegung hat damit nicht nur gesundheitliche, sondern auch ökologische Vorteile.

KliMate Projektpartner
Beim Projekt beteiligt sind neben dem AIT Austrian Institute of Technology weiters die Akademie für Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit, die Universität für Bodenkultur/Institut für Soziale Ökologie (SEC), GeoSphere Austria, das Karl Landsteiner Institut für Gesundheitsförderungsforschung, NOUS Wissensmanagement FlexCo sowie das Studio Dankl. Das Projekt wird von der FFG gefördert. Mehr zum Projekt hier: https://kli-mate.at

© Gettyimages
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Über den Autor

Markus Raich
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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