Immer mehr Autos, immer mehr Straßen – und mit dem Monat Oktober befindet sich die Steiermark in einer Hochrisikozeit für Unfälle mit Wildtieren, warnen die Experten der Steirischen Landesjägerschaft: Wildunfälle sind nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern auch ein emotionales, wirtschaftliches und ökologisches Thema. Im Schnitt ereignen sich in Österreich acht Wildunfälle pro Stunde.
Reh, Keiler, Crash
Wenn ein 17 Kilogramm schweres Reh bei Tempo 50 auf ein Auto prallt, wirkt es mit einem Aufprallgewicht von rund 425 Kilogramm. Bei höheren Geschwindigkeiten wird’s noch dramatischer: Ein 80-Kilo-Wildschwein wiegt bei 50 km/h so viel wie ein Nashorn – rund zwei Tonnen. Bei Tempo 130 multipliziert sich das Gewicht eines Wildtieres sogar mit dem Faktor 180! Je schneller das Auto, desto schwerer die Folgen – für Tier und Mensch.
140 Millionen Euro Schaden jährlich
2023 entstanden allein in Österreich rund 140 Millionen Euro Schaden durch Wildunfälle. Etwa 150 Menschen wurden dabei verletzt, die Dunkelziffer ist unklar – besonders bei tödlichen Alleinunfällen kann die genaue Ursache im Nachhinein oft nicht mehr genau eruiert werden. Die Gefahr von Wildunfällen (sogenannte DVA – Deer Vehicle Accidents) ist nicht nur eine Herausforderung für das jagdliche Wildtiermanagement in der Steiermark, auch die emotionale Seite ist nicht zu unterschätzen: Rehkitze, die kurz vor der Geburt stehen und nach dem Unfalltod der Rehgais ersticken, lassen niemanden kalt.
Freizeitdruck und Lebensraumverlust
Ein besonderer „Gamechanger“ war Corona. Die Lockdowns führten zu einem massiven Anstieg an Freizeitaktivitäten in der Natur – mit Folgen für die Tierwelt. Das bildet sich auch in der Anzahl der Wildunfälle der letzten 5 Jahre ab. Gleichzeitig verschwinden täglich große Flächen an Lebensraum: 20 Fußballfelder pro Tag gehen durch Supermärkte, Gewerbegebiete oder neue Straßen verloren. Rehe wandern immer mehr in Siedlungsräume, Vorgärten und Parks – und damit auch in die Nähe von Straßen.
Drei Höhepunkte pro Jahr
Wildunfälle häufen sich vor allem zu drei Jahreszeiten:
- April–Mai: Rehe kämpfen um Reviere (Einstandskämpfe)
- August: Brunftzeit
- Oktober–November: „Ernteschock“, wenn plötzlich riesige Felder abgeerntet werden – und sich für Rehe, Hasen oder Rebhühner der Lebensraum über Nacht dramatisch verändert: Sie verlieren schockartig und großflächig Deckung und Nahrung.
Blühstreifen: Gut gemeint, schlecht gemacht
Ein weiterer Faktor sind falsch platzierte Blühstreifen entlang von Straßen. Diese ziehen neben Insekten auch Rehe, Hasen und andere Wildtiere an – und führen sie direkt in die Fahrbahn. Links und rechts Blühstreifen, dazwischen die Straße – eine tödliche Falle.
Technik kann helfen – wenn richtig eingesetzt
In der Steiermark zeigt das Projekt “Wildtierschutz & Verkehrssicherheit”, wie moderne Technik helfen kann: Durch gezielten Einsatz von Reflektoren, akustischen Warnern und Geruchsabschreckung kann die Zahl der Wildunfälle nachts um 40 bis 70 Prozent gesenkt werden. In einzelnen Revieren sogar um bis zu 90 Prozent.
Reflektoren wirken dabei besonders auf Rehe, die sogenannte “Drücker- und Schlüpfertypen” sind – sie bleiben durch die Lichtreflexe stehen, statt plötzlich auf die Straße zu rennen. In Ausnahmefällen kommen auch Duftstoffe zum Einsatz, die Wildtiere gezielt abschrecken.
Fazit: Es geht um mehr als nur Geld
Zitat Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau:
„Wildunfälle sind kein Randthema – sie betreffen Sicherheit, Tierwohl, Emotionen und Ökologie gleichermaßen. Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen. Aber sie brauchen Wissen, Technik, und vor allem Bewusstsein – von Politik, Jägerschaft, Verkehrsexperten und jedem einzelnen Autofahrer.“

Foto: Landesjägerschaft, Anblick









