[Rankweil, 20.10.2023] 100 Jahre nach dem Beschluss der „Tölzer Richtlinien“ hat sich der Österreichische Alpenverein als eine der ältesten Naturschutzorganisationen des deutschsprachigen Raumes und größter Bergsportverband Österreichs große Ziele gesteckt: Bis 2033 will er klimaneutral sein. Die Erfahrung stimmt zuversichtlich: Mit seinen tausenden ehrenamtlichen Mitarbeiter und noch mehr engagierten Mitgliedern beweist er Tag für Tag, wieviel gemeinsames Engagement bewirken kann. Doch nicht alle Hürden sind leicht zu überwinden: Dass Bergsport nach wie vor Motorsport ist, ist eine Realität, der sich der „Anwalt der Alpen“ noch stellen muss.
1923, also vor genau 100 Jahren, beschloss die Hauptversammlung des Alpenvereins in Bad Tölz mit den „Tölzer Richtlinien“ ein Bekenntnis zum Schutz des alpinen Ödlands. Seitdem verzichtet der Österreichische Alpenverein auf weitere Erschließungsarbeiten und Bauten in bisher unberührtem Gebiet, um damit die Schönheit und Ursprünglichkeit der Bergwelt zu erhalten. Übrigens ziehen in Sachen Naturschutz mehrere Alpenvereine über die Landesgrenzen hinweg an einem Strang: Österreichischer und Deutscher Alpenverein sowie der Alpenverein Südtirol handeln in den zentralen Fragen des Natur- und Umweltschutzes im Alpenraum nach den gleichen Grundsätzen.
„Die Alpen sind ein einzigartiger Natur- und Kulturraum mit einer außergewöhnlichen biologischen Vielfalt. Schwerwiegende Eingriffe des Menschen und die Auswirkungen des Klimawandels schwächen seine natürliche und kulturelle Substanz“, sagt Alpenvereinspräsident Dr. Andreas Ermacora. Der Alpenverein setze sich im Interesse kommender Generationen gleichermaßen dafür ein, Naturzerstörungen zu verhindern, Umweltbelastungen zu vermindern und die nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Ziele für die Zukunft
Natur- und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen. So sieht es der Österreichische Alpenverein als Pflicht an, seinen Beitrag zu leisten: Bis spätestens 2033 will er klimaneutral sein. Dies bedeutet, dass er spätestens in zehn Jahren eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz ausweist und der Atmosphäre keine weiteren Treibhausgase zuführt. Wie er das erreicht, wird aktuell erarbeitet.
Die Klimastrategie des Alpenvereins umfasst insgesamt vier Bereiche: Die Mobilität, die Infrastruktur (Schwerpunkt liegt auf der weiteren Reduktion des Klimafußabdruckes bei Bau, Instandhaltung und Betrieb der Hütten), den Bereich Bildung und Ausbildung (Bewusstsein und Achtsamkeit durch Informationen und Impulse schaffen) und den Bereich „Grüne Finanzen und Beschaffung“ (Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasemissionen, u. a. im Bereich IT, im Bereich der Alpenvereinsmedien und im Bereich Finanzanlagen). Als weiteren Bereich der Klimastrategie kann auch die Bilanzierung genannt werden.
Seit Mitte des Jahres 2022 gibt es eine Arbeitsgruppe aus ehrenamtlichen Funktionären und hauptamtlichen Mitarbeitern, die an einem Konzept zur Emissionsreduktion arbeitet. Der Alpenverein kann das Vorhaben, bis spätestens 2033 klimaneutral zu sein, nur mit seinen Sektionen gemeinsam umsetzen. Alpenvereins-Generalsekretär Clemens Matt zeigt sich optimistisch: „Unser Verein lebt vom Miteinander – die Kameradschaft im Bergsport und der Zusammenhalt in den Sektionen sind Zeugnis dafür – und so leben wir das auch beim Thema Klimastrategie. Wir erarbeiten sie gemeinsam und entwickeln im Austausch viele Ideen für die praktische Umsetzung der klimastrategischen Ziele.“
Mobilität als größter Hebel
Der Blick in die klimaneutrale Zukunft des Österreichischen Alpenvereins ist nicht nur von Optimismus geprägt: Das Thema Mobilität ist der größte Hebel, den es umzulenken gilt. Jede Bergtour beginnt schließlich mit der Anreise, und diese findet nach wie vor zu einem beachtlichen Teil mit dem eigenen Auto statt. Eine Umfrage aus 2022 im Alpenverein hat ergeben, dass zwar das Bewusstsein für klimafreundliche Mobilität durchaus hoch ist, dennoch aber immer noch 80 Prozent der Mitglieder den eigenen Pkw für die Anreise zur Tour wählen.
Als Hauptgrund für die Wahl des Pkws wurde die mangelhafte Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz angegeben, gefolgt von der fehlenden Flexibilität und den langen Fahr- oder Wartezeiten (52 Prozent). Es fehlt also weniger an der Nachfrage als am Angebot von Verbindungen zu den Ausgangspunkten der Bergtouren. Dass knapp 20 Prozent der Befragten allein und 37,8 Prozent zu zweit im Auto sitzen, um zu ihren Touren anzureisen, ist wiederum alles andere als optimal. Erfreulich ist, dass bereits über 29 Prozent der Sektionstouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden.
Die vom Österreichischen Alpenverein durch Mobilität produzierten Treibhausgase sollen im Zuge der Klimastrategie auf ein Minimum reduziert werden, ohne dabei die Anzahl der „Tage draußen“ zu verringern. Das grundlegende Ziel des Alpenvereins ist es, durch informative Angebote ein Problembewusstsein zu schaffen und dadurch die Denk- und Handlungsweise seiner Funktionäre und Mitglieder langfristig zu ändern. Dieses Ziel will man durch Empfehlungen, nicht über Beschlüsse erreichen. Drei übergeordneten Ziele wurden im Bereich Mobilität formuliert:
- Der Großteil aller Touren in allen Sektionen und Ortsgruppen werden bis 2033 klimafreundlich durchgeführt.
- Der Treibhausgase-Ausstoß von privaten Touren und vor allem zu unseren Hütten sollte durch öffentlichkeitswirksame Projekte und Maßnahmen so weit wie möglich reduziert werden.
- Angestellte und Funktionäre aus allen Alpenvereinsteilorganisationen werden bis 2033 nur mehr klimafreundlich zu Gremien und Arbeitseinsätzen fahren.
Um die gesteckten Ziele bestmöglich zu erreichen und alle Akteure bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen im Vereinshauptsitz und in den Sektionen unterstützen zu können, wurde eine neue Stelle in Innsbruck geschaffen. Deniz Scheerer wird die neue Rolle der Klimakoordinatorin des Österreichischen Alpenvereins einnehmen. Sie wird die Sektionen auf dem Weg zur Klimaneutralität begleiten.
Konkrete Beispiele aus der Praxis
Gemäß seinem Grundsatzprogramm Naturschutz hat sich der Alpenverein dazu verpflichtet, im eigenen Wirkungskreis sowie darüber hinaus sinnvolle Projekte im Klimaschutz zu fördern und konkrete Maßnahmen zu setzen. Ein Schwerpunkt liegt in den Bereichen sanfter Tourismus und Mobilität. Im Rahmen der weit bekannten Initiative „Sanfte Mobilität für Freizeit und Tourismus“ erarbeiten Sektionen seit 2009 eigenständige Tourenangebote mit Informationen zur öffentlichen An- und Abreise. Auch die Initiative „Mit Bus und Bahn zu Alpenvereinshütten“ wurde gut angenommen, gleich dem „Mobilitätsguide Sportklettern“, der es ermöglicht, bequem und öffentlich zu Sportklettergärten anzureisen.
Ein weiteres Angebot des Alpenvereins an seine Mitglieder ist auf dem Tourenportal alpenvereinaktiv.com zu finden. Hier kann gezielt nach Touren gesucht werden, die mit Bus und Bahn erreichbar sind. Außerdem finden sich in der App alle Infos zur öffentlichen Anreise in den Bundesländern und Öffi-Tourensammlungen. Über 6.000 Alpenvereinstouren sind mit dem Hinweis “öffentlich erreichbar” ausgewiesen. In Zukunft ist auch die Integration des ÖPNV in die Plattform geplant mit dem Ziel, alle verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel direkt auf der Karte anzuzeigen.
